"Der Coach - dein Feind und Abzocker"
In ihrem dreiseitigen Artikel „Der Coach- dein Feind und Abzocker“ in der Welt am Sonntag vom 16.02.2020 schreibt Annette Dowideit ausgiebig darüber, wie
(1) eine Frau während einer Großveranstaltung von einem Massenmotivator angeschrien und bloßgestellt wurde,
(2) ein Paar von einer „Persönlichkeitstrainerin“ mit äußerst einnehmendem Wesen ausgenommen wurde,
(3) ein Paar von Coach-Ausbildern ausgenommen wurde.
Ausgiebig zu Wort kommt auch immer wieder ein Sekten- und Weltanschauungsbeobachter im Auftrag der evangelischen Kirche. Und es geht (irgendwie auch) um sieben Männer (darunter ein paar Top-Speaker; ein Lebensberater & Esoteriker; ein Investmenttippgeber; ein wegen Untreue und vorsätzlichem Bankrott verurteilter Motivationstrainer; ein dubioser Transformationstherapeut), die vom Sekten- und Weltanschauungsbeobachter beobachtet werden.
Immerhin, acht Zeilen lang wird Christopher Rauen zitiert, wie man als Kunde sichergehen kann, nicht an Scharlatane zu geraten und ganze sechs Zeilen widmet die Autorin der bedauerlichen Tatsache, dass es in Deutschland „kein einheitliches oder staatliches Gütesiegel“ für Coaches gibt.
Vielleicht war der Artikel der Chefreporterin Investigativteam der Welt trotz der äußerst einseitigen Darstellung doch zu etwas gut. Ich habe mich jedenfalls so sehr darüber geärgert, dass ich beschlossen habe, hier eine Lanze für von Coachingverbänden zertifizierte Coaches und ganz besonders für ICF Coaches [1] zu brechen.
„Die International Coaching Federation (ICF), der weltweite größte Coachingverband bietet nämlich mit ihren Ethikrichtlinien und mit ihren drei Zertifizierungsebenen (ACC, PCC, MCC), Klient*innen wie Auftraggebern größtmögliche Sicherheit, Qualität und Transparenz“ – so Kirsten Dierolf im Leserbrief an die Welt.
Klingt gut, aber: Wie macht die ICF das denn – und wie sieht das im Einzelnen aus?
In den neuen ICF Ethical Guidelines ist das genau formuliert:
„Das Einhalten dieser ethischen Verhaltensstandards der ICF ist die erste ICF-Kernkompetenz: „Der Coach versteht Coachingethik und -standards und wendet sie konsequent in der Praxis an.“
Der ICF Code of Ethics dient der Wahrung der Integrität der ICF und der weltweiten Coaching-Profession durch:
- Festlegen von Verhaltensstandards im Einklang mit den Grundwerten und ethischen Grundsätzen der ICF.
- Anleiten zur ethischen Reflexion, Schulung und Entscheidungsfindung
- Beurteilen und Aufrechterhalten der ICF-Coach-Standards durch den ICF Ethical Conduct Review (ECR) Prozess.
- Bereitstellen der Grundlage für ein ICF-Ethiktraining in vom ICF akkreditierten Programmen.
Das Einhalten der ethischen Verhaltensstandards der ICF ist im übrigen nicht nur für ICF Mitglieder obligatorisch, sondern sämtliche Coaches mit einer ICF Zertifizierung[2] wie auch alle Anbieter von ICF akkreditierten Ausbildungsgängen[3] haben sich schriftlich dazu verpflichtet, diese Standards einzuhalten.
Wie kann ich herausfinden, ob ein Coach ICF Mitglied ist oder / und eine aktuelle[4] ICF Zertifizierung hat?
Die ICF lebt Transparenz: Alle Interessierte, nicht nur ICF Mitgliedern können jederzeit und tagesaktuell überprüfen, wer (a) Mitglied der ICF International ist und (b) welchen Zertifizierungslevel der & die gesuchte Coach tatsächlich hat – und wann die nächste Zertifizierung ansteht - hier werden auch ICF-zertifizierte Coaches gelistet, die kein ICF Mitglied sind.
Was kann ich tun, wenn ich der Meinung bin, dass ein ICF Coach sich nicht den ethischen Verhaltensstandards entsprechend verhalten hat? Vielleicht gibt es ja auch beim ICF schwarze Schafe?
- Wenn sich eine Meinungsverschiedenheit nicht zwischen beiden Parteien direkt klären lässt, dann ist die ICF Ethikkommission (EK) dafür die erste Anlaufstelle. Formell ist die EK zwar nur für Mitglieder des ICF Deutschland e.V. zuständig, aber ihre Mitglieder arbeiten sehr eng mit dem internationalen IRB (Independent Review Board) zusammen. Die Mitglieder der EK verstehen ihre Arbeit bei Beschwerdefällen in erster Linie als Mediatoren.
- Falls der Coach, um den es geht, kein ICF Mitglied, aber ICF-zertifiziert ist, empfehlen wir, sich gleich an das IRB zu wenden – ansonsten würden wir die Beschwerde dorthin weiterleiten, denn dafür ist die EK des ICF Deutschland nicht zuständig.
Und was würde bei einem erwiesenen schwerwiegenden Verstoß gegen die ICF Ethical Guidelines passieren?
Einem ICF-zertifizierten Coach würde die Zertifizierung entzogen werden; ein ICF-Mitglied würde aus dem ICF ausgeschlossen werden.
Wie viele solcher Fälle gab es seit Bestehen der Ethikkommission und des IRBs mit Coaches in Deutschland?
Bei der Ethikkommission des ICF Deutschland e.V. gab es keine Beschwerde, die zu einem offiziellen Verfahren geführt hätte. Ansonsten führte die EK hauptsächlich Beratungsgespräche oder vermittelte zwischen den Parteien (in der Mediatorenrolle), ca. 8-10 Mal in den letzten 5 Jahren.
Das IRB hatte seit seiner Gründung vor mehr als 10 Jahren keine Beschwerde über Coaches in Deutschland zu bearbeiten, was einerseits darauf zurückzuführen ist, dass auf diese Beschwerdemöglichkeit zwar auf der Website hingewiesen wird, dies aber noch nicht überall bekannt ist.
Qualitätsfördernd und -sichernd ist außerdem, dass sämtliche ICF Mitglieder jedes Jahr aufs Neue eine Selbstverpflichtungserklärung zur Einhaltung ICF Ethical Guidelines unterschreiben müssen[5]. Viele Coaches machen diese Selbstverpflichtung auch zu einem Vertragsbestandteil und weisen in ihren Verträgen das IRB hinweisen.
Dies alles zeigt hoffentlich, dass …
(a) es sich bei den 324 zertifizierten ICF Coaches und 627 ICF Mitgliedern in Deutschland nicht um „Feind und Abzocker“-Coaches im Sinne der Chefreporterin Investigativteam der Welt handelt.
(b) es nicht sinnvoll ist alle Anbieter, über die man Grund haben könnte sich zu ärgern, völlig undifferenziert mit zertifizierten Coaches und / oder Mitgliedern von professionellen Coachingverbänden in einen Topf zu werfen.
Doris van de Sand (MCC)
Meine Kollegen und ich freuen uns über Rückmeldungen und Anregungen:
ethikkommission@coachfederation.de
[1] Mit ICF Coach sind hier alle ICF Mitglieder, unabhängig davon ob sie zertifiziert sind oder nicht sowie alle Coaches mit einer gültigen ICF-Zertifizierung wie auch Anbieter von ICF akkreditierten Ausbildungen gemeint. Die offizielle Bezeichnung ist ICF-Professional (s. Definitionen in den neuen Standards)
[2] Anders als bei vielen anderen Coach-Verbänden steht eine ICF-Zertifizierung auch nicht-Mitgliedern offen.
[3] Anbieter von ICF akkreditieren Ausbildungsgängen (ACTP & ACSTH) oder von ICF anerkannten Weiterbildungen (durch CCEUs = Continuing Coaching Education Units) müssen ebenfalls keine ICF Mitglieder sein.
[4] Die ICF verlangt von allen zertifizierten Coaches alle drei Jahre eine Erneuerung der Zertifizierung, in der mindestens 40 Stunden Weiterbildung nachgewiesen werden müssen – ansonsten verfällt die Zertifizierung.
[5] Die ICF zertifizierten Coaches ohne ICF Mitgliedschaft unterschreiben diese Erklärung alle drei Jahre bei ihrer Re-Zertifizierung.
Text & Foto: Doris van de Sand
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