International Coach Federation

Coaching oder Therapie? Ist doch egal, Hauptsache der Klient ist zufrieden?

Warum es für jeden (ICF) Coach wichtig ist, zu wissen wo die Grenze zwischen Coaching und Therapie liegt.

1. Wie wahrscheinlich ist es, dass bei unseren Klienten eine psychische Störung vorliegt?

2. Warum ist das ein Ethikthema?

3. Die wichtigsten Unterschiede zwischen Coaching und Therapie

4. Nur ein „schlechter Tag“ oder steckt mehr dahinter?

5. Häufig gestellte Fragen

 

1. Wie wahrscheinlich ist es, dass bei unseren Klienten eine psychische Störung vorliegen könnte?

So unwahrscheinlich ist es nicht, dass Coaches im Rahmen ihrer Tätigkeit auf Klienten oder potentielle Klienten treffen könnten, bei denen eine zwischenzeitliche psychische Störung vorliegt.

Ein Blick auf die Zahlen:
Psychische Erkrankungen als Ursache der Krankschreibungen nahmen (…) zwischen 2008 und 2017 enorm, um 144 Prozent, zu. Frauen (…) sind davon deutlich häufiger betroffen als Männer.“ ZDF heute, 23.10.2019

„Bei Fehlzeiten mit psychischen Störungen lässt sich vom Jahr 2018 zum Jahr 2019 erneut ein Anstieg feststellen. Dabei ist dieser Anstieg besonders auf höhere Fehlzeiten mit psychischen Störungen bei Frauen zurückzuführen. Seit dem Jahr 2006 ist ein Trend zur ständigen Zunahme der Fehlzeiten unter entsprechenden Diagnosen zu verzeichnen, der nur in den Jahren 2013 und 2016 zwischenzeitlich unterbrochen wurde. (…) Die Fehlzeiten unter der Diagnose „psychische Störungen“ bei Berufstätigen 2019 markieren mit 258 Arbeitsunfähigkeits-Tagen (AU) je 100 Versicherungsjahre (VJ)in dieser Gruppe den höchsten Stand seit Beginn der Auswertungen zum Jahr 2000 (mit seinerzeit 129 AU-Tagen je 100 VJ). Im Vergleich zum Jahr 2000 lagen die Fehlzeiten unter der Diagnose von psychischen Störungen bei Berufstätigen 2019 damit um 100 Prozent höher. “ (TKK Report 2020)

 

Gibt es geschlechtsspezifische Unterschiede bei psychischen Störungen?

Die Gesamtraten psychiatrischer Erkrankungen sind bei Männern und Frauen fast identisch, doch bei den Mustern psychischer Erkrankungen sind auffallende geschlechtsspezifische Unterschiede festzustellen.

Geschlechtsspezifische Unterschiede treten insbesondere bei den Raten häufiger psychischer Störungen auf - Depressionen, Angstzustände und somatische Beschwerden. Diese Störungen werden bei Frauen wesentlich häufiger diagnostiziert.

Depressionen sind nicht nur das häufigste Problem der psychischen Gesundheit von Frauen, sondern können bei Frauen hartnäckiger auftreten als bei Männern. Es ist mehr Forschung erforderlich.

Unipolare Depressionen, die laut Prognosen bis 2020 die zweithäufigste Ursache für die weltweite Belastung durch Behinderungen sein werden, sind bei Frauen doppelt so häufig.

 

Ich coache nur männliche Führungskräfte. Da bin ich dann wohl eher auf der sicheren Seite? Schön wär’s!

Die Wahrscheinlichkeit, dass bei Männern eine antisoziale Persönlichkeitsstörung diagnostiziert wird, ist mehr als dreimal so hoch wie bei Frauen.

Die Lebenszeitprävalenzrate für Alkoholabhängigkeit, eine weitere häufige Störung, ist bei Männern mehr als doppelt so hoch wie bei Frauen. In den Industrienationen wird etwa jeder fünfte Mann und jede zwölfte Frau im Laufe ihres Lebens alkoholabhängig.

Wenn bei Männern insgesamt seltener psychische Krankheiten als bei Frauen diagnostiziert werden, bedeutet das nicht automatisch, dass sie seltener davon betroffen sind. Es könnte auch damit zusammenhängen, dass Männer insgesamt weniger häufig einen Arzt oder Therapeuten aufzusuchen, weil dies mit ihrem Selbstbild von „Stärke und Unverwundbarkeit zeigen“ nicht zusammenpasst.

„Männer versuchen immer noch oft ihre seelischen Probleme zu verdecken – auch vor Ärztinnen und Ärzten. Sie schildern eher die körperlichen Symptome, da psychische Erkrankungen immer noch oft selbst als persönliche Schwäche erlebt und gesellschaftlich so bewertet werden.

Auch die Ärztinnen und Ärzte suchen bei Männern eher nach körperlichen Krankheitsursachen und dia­gnostizieren häufiger organische Störungen.“ Männergesundheitsportal Januar 2020

Arbeit im Home-Office 2019

Rund 40 Prozent der Beschäftigten arbeiten regelmäßig außerhalb ihres Unternehmens; knapp die Hälfte davon zu Hause. Weniger Fehltage und mehr Selbständigkeit sind die Vorteile. Doch es gibt auch Nachteile: Erschöpfung, Konzentrations- und Schlafstörung
AOK Gesundheitsreport im ZDF, 17.09.2019

 

Arbeit im Home-Office 2020

Die Umstellung auf Homeoffice, Gehaltseinbrüche, Existenzängste und die ständige Angst vor einer Infektion setzen viele Beschäftigte während der Coronavirus-Pandemie unter hohen psychischen Druck.

Die häufig nur schwer zu praktizierende Trennung von Beruflichem und Privatem führt zu psychischen Belastungen. „Manchen Menschen fällt es schwer, nach dem Arbeitstag abzuschalten. Sie wälzen auch nach Feierabend Probleme, fühlen sich ständig unter Druck und sind gegenüber Kolleginnen und Kollegen ungeduldig und reizbar."
Belastbare Daten zu den Auswirkungen von Corvid19 auf die psychische Gesundheit im deutschsprachigen Raum konnte die Autorin bislang nicht auffinden.

 

2. Warum ist „Coaching oder Therapie“? ein Ethikthema?

Alle Jahre wieder….

Alle ICF Mitglieder verpflichten sich bei der Verlängerung ihrer Mitgliedschaft jedes Jahr aufs Neue, den ICF Code of Ethics einzuhalten. Dasselbe gilt auch, wenn man als nicht-ICF Mitglied eine ICF Zertifizierung beantragt oder nach drei Jahren verlängert.

Es geschieht dadurch, dass man drei Kästchen anklickt, vorzugsweise nachdem man sich den dazugehörigen ICF Code of Ethics erneut durchgelesen hat. Sollte man sich später vergewissern wollen, was man da eigentlich angeklickt hat, findet man es unter Punkt 5 hier.

 

ETHIKVERSPRECHEN eines ICF PROFESSIONALs:

  • Als ICF-Professional erkenne ich in Übereinstimmung mit dem ICF Code of Ethics meine ethischen und rechtlichen Verpflichtungen gegenüber meinen Coaching-Kunden, Sponsoren, Kollegen und der Öffentlichkeit an und erkläre mich damit einverstanden, sie zu erfüllen.
  • Sollte ich gegen einen Teil des ICF Code of Ethics verstoßen, stimme ich zu, dass die ICF mich dafür nach eigenem Ermessen zur Verantwortung ziehen kann.
  • Ich stimme ferner zu, dass meine Rechenschaftspflicht gegenüber der ICF für jeden Verstoß Sanktionen beinhalten kann, wie z.B. eine obligatorische zusätzliche Coachausbildung oder eine andere Ausbildung oder den Verlust meiner ICF-Mitgliedschaft und/oder meiner ICF-Zertifizierung.

 

Und was hat das mit der Abgrenzung von Coaching zu Therapie zu tun?

Abschnitt I - Verantwortung gegenüber Kunden

Punkt 1 des Code of Ethics einzuhalten, bedeutet für jeden ICF Coach:

Als ICF-Professional …

  1. stelle ich sicher, dass meine Coaching-Klienten und Sponsoren vor oder bei der ersten Besprechungdie Art und den potenziellen Wert des Coachings, die Art und Grenzen der Vertraulichkeit, finanzielle Vereinbarungen und alle anderen Bestimmungen der Coaching-Vereinbarung verstehen.

Punkt 8 des Code of Ethics einzuhalten, bedeutet für jeden ICF Coach:

Als ICF-Professional …

  1. bleibe ich wachsam, wenn Anzeichen dafür vorliegen, dass sich der aus der Coachingbeziehung erhaltene Nutzen verändern könnte. Wenn ja, nehme ich eine Änderung in der Beziehung vor oder ermutige die Kunden / Sponsoren, einen anderen Coach oder eine andere Fachkraft zu suchen oder eine andere Ressource zu nutzen.

 

Abschnitt II - Verantwortung für Praxis und Leistung

Punkt 17 des Code of Ethics einzuhalten, bedeutet:

Als ICF-Professional …

  1. erkenne ich meine persönlichen Grenzen oder Umstände, die meine Coachingleistung oder meine beruflichen Coaching-Beziehungen beeinträchtigen, Konflikte erzeugen oder stören können. Ich werde mich um Unterstützung bemühen, um die zu ergreifenden Maßnahmenfestzulegen und, falls erforderlich, unverzüglich eine entsprechende professionelle Beratung einholen. Dies kann die Aussetzung/Unterbrechung oder Beendigung meiner Coachingbeziehung(en) beinhalten.

 

Auf den ersten Blick ist nicht so ersichtlich, was diese Punkte des ICF Code of Ethics mit der Unterscheidung zwischen Coaching und Therapie zu tun haben. Wie bei der Kernkompetenz 5, Aktives Zuhören (ab 2021 KK6) geht es auch hier darum, auch zwischen den Zeilen zu lesen.

 

Hilft ein Blick auf die zum ICF Code of Ethics gehörenden „Interpretive Statements weiter?

Ethical Interpretive Statement to Standard 1

Dieser Standard fordert von ICF-Professionals, nicht einfach davon auszugehen, dass Klienten oder Sponsoren dasselbe Verständnis von Coaching haben wie Coaches selbst (oder wie es ICF Coaches zumindest haben sollten). Im Erstgespräch sollten daher Erwartungen über die Möglichkeiten und den Nutzen von Coaching geklärt und gegebenenfalls korrigiert werden. (Übertragung ins Deutsche durch die Autorin. Hier geht’s zum Originaltext)[1]

 

Ethical Interpretive Statement to Standard 8

ICF Professionals sollten bereit sein, einen Auftrag abzulehnen, wenn und wann immer ihre Coaching-Dienstleistungen Klienten keinen Nutzen bringen und/oder den Interessen von Klienten oder Sponsoren zuwiderzulaufen scheinen. ICF-Professionals haben die Verantwortung, Klienten in diesem Fall zu ermutigen, eine Änderung vorzunehmen oder die Dienste anderer Professionals in Anspruch zu nehmen.

Von ICF Professionals wird erwartet, dass sie mit Klienten und Sponsoren (falls involviert) einen kundenorientierten Überprüfungsprozess durchführen, der hilft, den Wert der Coaching-Beziehung zu bestimmen. Wenn sich eine Veränderung im wahrgenommenen Wert des Coachings abzeichnet, wird von ICF Professionals erwartet, dass sie herausfinden, was die Ursache für diese Veränderung ist.

Von ICF-Professionals wird erwartet, dass sie wachsam bleiben für Hinweise, die über ihre Fähigkeiten als Coach hinausgehen. Deshalb ist es besonders wichtig, als Coach zu lernen, wie man rechtzeitig erkennt, ob Klienten am besten von einem anderen professionellen Dienstleister betreut werden Wenn sie nicht in der Lage sind, Klienten zu unterstützen, müssen sie sie unter Umständen an andere Formen der Unterstützung verweisen, z.B. Beratung, Therapie, Recht, Steuern, Medizin, Ernährung usw. Im Zweifelsfall sollten ICF-Professionals Expertenrat einholen.

Es ist nützlich, ein Netzwerk aufzubauen, das Coaches anderer Orientierungen sowie Therapeuten usw. einschließt, falls eine Überweisung beantragt wird. (Übersetzung der Autorin)[2]

Im Klartext bedeutet das: Wenn es Hinweise dafür gibt, dass Coaching Klienten nicht weiterbringt, sollten ICF Professionals (hier: Coaches) den Klienten an andere Formen der Unterstützung (in diesem Kontext: Hausärzte / Therapeuten) verweisen.

Von ICF Coaches wird auch in den ICF Kernkompetenzen erwartet, diese Unterscheidung vorzunehmen:

 

1. Einhaltung der Ethik-Richtlinien und professioneller Standards

Der Coach

  1. versteht den ICF-Verhaltenskodex und setzt ihn im eigenen Verhalten um (siehe Teil III des ICF Ethik-Codes: „Das ICF Ethik-Versprechen“),
  2. versteht und befolgt die ICF Ethik-Richtlinien,
  3. kommuniziert deutlich den Unterschied zwischen Coaching, Psychotherapie und anderen verwandten Berufszweigen,
  4. verweist den Klienten im Bedarfsfall an Fachleute weiter, erkennt, wann dies nötig ist, und kennt die zur Verfügung stehenden Ressourcen.

 

3. Die wichtigsten Unterschiede zwischen Coaching und Therapie

Eine Therapie ist eine Heilbehandlung. Coaching ist es nicht!

Auch wenn „Coach“ in Deutschland kein angekannter Beruf ist, gilt für Coaches, dass sie nicht heilen dürfen. Dies ist ausschließlich approbierten Ärzten, approbierten Psychotherapeuten und zugelassen Personen nach §1 Heilpraktikergesetz vorbehalten. Näheres dazu findet sich im Psychotherapeutengesetz (PsychThG) und im Heilpraktikergesetz (HeilPrG)

 

Coaching

Therapie

Ist eine zeitlich begrenzte partnerschaftliche Form der Zusammenarbeit, bei der der Coach den Klienten durch einem gemeinsamen Reflektionsprozess dabei unterstützt, selbstgesetzte Ziele zu erreichen.

Psychotherapie ist eine langfristig angelegte Heilbehandlung durch ausgebildete und staatlich anerkannte Therapeuten, die Patienten mit psychischen Beeinträchtigungen des Erlebens und Verhaltens dabei unterstützen, wieder mehr Kontrolle über ihr Leben zu erhalten.

Der Fokus eines Coachings liegt meistens in der Gegenwart und der erwünschten Zukunft der Klienten.

Psychotherapie kann sich schwerpunktmäßig mit der Vergangenheit von Klienten beschäftigen und hat oft die Bearbeitung von Traumatisierungen zum Gegenstand.

Coaching richtet sich an Personen mit uneinge­schränkter Selbststeuerungskompetenz, d.h. sie können volle Verantwortung für ihr Handeln übernehmen.

Psychotherapeutische Klienten sind nur eingeschränkt selbststeuerungsfähig. In den meisten Fällen liegt eine Diagnose einer psychischen Beeinträchtigung oder Störung vor.

Coaches arbeiten zwar auch mit Methoden oder Ansätzen, die der Therapie entlehnt sind, aber sie arbeiten nicht kurativ.

Therapeuten sind dazu ausgebildet, psychische Störungen von Patienten zu diagnostizieren und zu behandeln, wie z.B. Ängste, Depressionen, Suchtmittel-Abhängigkeit, Brun-Out etc.

 

4. Nur ein „schlechter Tag“ oder steckt mehr dahinter?

VIP-System des Fragenstellens[3] - Vorgeschichte, Informationen, Plan

Vorgeschichte

Durch Fragen wie beispielsweise „Passiert Ihnen das jetzt zum ersten Mal?“ oder „Wie lange fühlen Sie sich schon so?“ können Coaches gut herausfinden, ob es sich möglicherweise nur um einen Ausreißer handelt oder ob es sich bereits um ein sich wiederholendes Muster handelt.

 

Information

Welche Bereiche im Leben des Klienten sind betroffen?

Wirkt sich ein berufliches Problem im Privatleben aus oder umgekehrt?

Gibt es Bereiche, die nicht betroffen sind?

 

Plan

Ist die Klientin in der Lage, ihr weiteres Vorgehen zu planen?

Ist diese Planung positiv und realistisch?

Hat der Klient genug Motivation und Energie, an der Umsetzung der Pläne zu arbeiten?

 

Anzeichen dafür, wann Coaching nicht mit Klienten aktuell nicht empfehlenswert ist:

Selbstmanagementfähigkeit:

(1) Kann der Klient sein Berufs- und Privatleben (noch) bewältigen?

(2) Ist die Klientin bereit und in der Lage zu Veränderungen?

(3) Stellen Sie einen Fortschritt im Coaching-Prozess fest?

 

Tiefgreifende Problematik:

(4)         Taucht diese Problematik immer wieder auf?

(5)         Sind mehrere Bereiche des Lebens der Klientin betroffen

(6)         Lastet der Leidensdruck so schwer auf dem Klienten, dass er glaubt, selbst nichts dagegen tun zu können? Möchte sich die Klientin vom Coach davon „befreien lassen“?

 

Wenn Sie als Coach die Fragen (1) – (3) größtenteils mit „nein“ und die Fragen (4) – (6) größtenteils mit „Ja“ beantworten würden, liegen starke Anzeichen dafür vor, dass dem Klienten hier besser mit einem Therapeuten gedient ist und die Grenze zwischen Coaching und Therapie überschritten würde.

 

Weitere Anzeichen[4]

  1. Der Klient ist auf die Vergangenheit fixiert.
  2. Die Klientin hat wiederkehrende belastende Gedanken oder Bedenken
  3. Der Klient fühlt sich häufig innerlich aufgewühlt; ist häufig angespannt oder nervös
  4. Die Klientin hat sehr starke Ängste oder Befürchtungen und ist sehr nervös
  5. Es gibt deutliche Veränderungen der Laune(n) der Klientin: z.B. Ärger, Angst, Trauer.
  6. Der Klient berichtet von starkem Leistungsabfall
  7. Die Klientin wirkt häufig geistig abwesend oder klagt über starke Konzentrationsschwierigkeiten
  8. Der Klient klagt darüber, dass er ungewöhnlich schnell ermüdet.
  9. Die Klientin zieht sich stark aus sozialen Beziehungen & von Aktivitäten zurück;
  10. Die Klientin ist, anders als sonst, desinteressiert und verliert die Freude am Leben
  11. Der Klient ist erkennbar ungepflegt (Haare, Kleidung, Anzeichen von mangelnder Hygiene.)
  12. Die Klientin ist nicht in der Lage, Termine einzuhalten. Sie ist dauerhaft stark verspätet und versäumt häufig wichtige Termine.
  13. Der Klient ist abhängig von Medikamenten oder Drogen (Alkohol, Kokain, etc.)
  14. Die Klientin hat in kurzer Zeit stark ab- oder zugenommen (plus / minus 10 kg oder mehr).
  15. Der Klient berichtet über starke, seit mindestens sechs Monaten anhaltende Schlafstörungen (häufiges Verschlafen oder Ein- oder Durchschlafstörungen).
  16. Die Klientin scheint keine Hoffnung auf eine Verbesserung ihres Zustandes zu haben.
  17. Der Klient leidet unter Muskelverspannung, Schwitzen, Zittern, Schwindel oder Herzrasen, dauerhaft hohem Puls
  18. Der Klient äußert Suizidabsichten.

 

Aber:

Jedes einzelne dieser Anzeichen (bis auf die Äußerung von Suizidabsichten) ist, für sich genommen als Momentaufnahme, noch kein Grund, der gegen ein Coaching spräche. Zielführende Fragen könnten eher sein:

  • Wie stark wirkt sich das jeweilige Anzeichen auf die Qualität des Coachings aus?
  • Gibt es Signale, die auf eine Verbesserung hindeuten?
  • Wie viele dieser Anzeichen sind sichtbar?

 

Große Aufmerksamkeit und Vorsicht ist auch dann geboten, wenn …

  • der Coach sich für den Klienten verantwortlich fühlt
  • der Coach sich unter Druck fühlt, selbst die Probleme des Klienten lösen zu müssen
  • der Coach sich durch die Themen der Klientin gestresst fühlt
  • der Coach unter Stress gerät, wenn der Klient einen wieder kontaktiert
  • der Coach sich fragt, ob er/sie Klienten mit ihren Problemen im Stich lässt bzw. lassen kann
  •  Klienten zu abhängig (vom Coach) zu werden scheinen

Trennschärfe könnte die Frage bringen: „Kann Coaching den Klienten weiterbringen?“ statt sich zu überlegen „Kann ich dem Klienten weiterhelfen?“

 

 

5. Häufig gestellte Fragen / FAQs

Von Coaches häufig in diesem Zusammenhang gestellte Fragen sind:

  • Mein Klient befindet sich bereits in Therapie, möchte aber zu einem beruflichen Thema von mir gecoacht werden – wäre das in Übereinstimmung mit dem ICF Code of Ethics?

Solange die Arbeit an dem beruflichen Thema so möglich ist, dass es den ICF Definitionen von Coaching entspricht, wäre dies kein Verstoß gegen den ICF Code of Ethics. Das setzt entsprechende Selbstmanagementfähigkeiten von Klienten voraus.

 

  • Der Klient benötigt dringend Hilfe und die Wartezeiten für einen Therapieplatz in der Reha sind sehr lang. Ich bin nicht nur Coach, sondern auch approbierter Therapeut / Heilpraktiker nach §1 Heilpraktikergesetz. Demnach darf ich doch auch therapieren?

Ja, als approbierter Therapeut / Heilpraktiker nach §1 Heilpraktikergesetz ist es natürlich zulässig zu therapieren. Aber dann sollte man seine jeweilige Rolle sehr klar und deutlich machen und dies nicht unter der Überschrift „Coaching“ tun. D.h. man sollte dann einen Vertrag als Therapeut bzw. Heilpraktiker abschießen.

 

  • Meinen Klienten ist bewusst, dass sie eigentlich eine therapeutische Behandlung haben sollten. Sie möchten aber lieber mit mir weiterarbeiten, weil hier bereits ein Vertrauensverhältnis besteht /, weil sie in ihrer Firma nicht als jemand mit einem psychischen Problem stigmatisiert werden möchten. Ist es unter diesen Voraussetzungen nicht doch möglich, mit einem Coachingvertrag weiterzuarbeiten - solange es den Klienten dabei gut geht?

Der ICF Code of Ethics schließt Coaching dann ausdrücklich aus, wenn Coaching / eine Weiterführung des Coachings für Klienten keinen Nutzen bringt.

 

  • Ich als Coach habe Bedenken, ob ein Coaching mit diesem Klienten möglich ist, mein Klient sieht das allerdings anders als ich und teilt meine Bedenken nicht.

Es ist ähnlich wie mit der „Unschuldsvermutung“ (in dubio pro reo): Solange es keine klaren und eindeutigen Anzeichen gibt, die gegen ein Coaching sprechen gilt: Klienten sind die Experten für sich selbst. Andernfalls wäre ein Coaching auf Augenhöhe nicht möglich, sondern der Coach würde sich eine Expertenrolle anmaßen.

 

Meine Kollegen und ich freuen uns über Rückmeldungen und Anregungen:
ethikkommission@coachfederation.de

https://www.coachfederation.de/fileadmin/Ethikkommission/Ethikkommission_2019-22.JPG

 

 


[1] This standard invites the ICF professional not to assume that clients or sponsors understand the scope of the coaching interaction. This means explaining it in a meeting prior to the beginning or at the beginning of the process. The initial interview offers the opportunity to clarify expectations about the possibilities and benefits of coaching and to correct them if necessary.

[2]  The ICF Professional should be willing to recuse themselves if and whenever their coaching services do not benefit the client and/or appear to go against the clients or sponsors interest. The ICF Professional has a responsibility to encourage the client in this case to make a change or seek the services of another professional.

ICF Professionals are expected to establish a customer orientated review process with the client and the sponsor (if involved) which helps determine the value of the coaching relationship. If a shift in the perceived value of coaching is evidenced, the ICF Professional is expected to find out what is driving the shift.

ICF Professionals are expected to remain alert for indications which go beyond their capabilities as a coach. Therefore, it is particularly important to learn as a coach how to recognize in a timely manner whether a client will be best served by another professional service provider. If they are unable to support the client, they may need to refer the client to other modes of support such as counseling, therapy, legal, tax, medical, nutrition, etc.  In case of doubt, the ICF professional should seek expert advice.

It is useful to build a network that includes coaches of other orientations as well as therapists, etc. in the event a referral is requested.

[3] nach A. & C. Buckley, Coaching oder Therapie. Paderborn 2016, 66ff

[4] ICF Publikationen zum Thema:
Hullinger, A. M. and DiGirolamo, J. A. (2018). Referring a client to therapy: A set of guidelines. (23 Seiten);
Hullinger, A.M. and DiGirolamo, J.A. One Sheet Client Referral Hullinger, A. M. and DiGirolamo, J. A. (2018). Referring a client to therapy(1 Seite)

 

Autor: Doris van de Sand     Foto: Doris van de Sand & Pexels cottonbro

 


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