International Coach Federation Deutschland

ICF-Studie über Coaching-Plattformen

 

Dieser Artikel beschreibt zusammenfassend die Ergebnisse der ersten internationalen ICF Studie über digitale Coaching Plattformen. Der Artikel wurde von den unten genannten Autorinnen und Autoren verfasst, es sind die am Design und Konzeption der Studie beteiligten ICF Mitglieder.

Einführung

Coaching-Plattformen werden in der Coaching-Branche immer verbreiteter. Während die Technologie reift, finden Coaches diese Plattformen nützlich, um spezifische Klienten-Funktionen, Coach-Funktionen, Lead-Generierung und für Vertragszwecke anzubieten. Die International Coaching Federation (ICF) hat eine Umfrage entwickelt, um die Nutzung von Online-Plattformen zu untersuchen, die Coaches als Teil ihrer Coaching-Praxis nutzen könnten, um die Auswirkungen dieser Plattformen auf den Coaching-Beruf besser zu verstehen.

Coaching-Plattformen fallen tendenziell in eine von zwei Kategorien, Service- und Vertragsplattformen. Coaching-Service-Plattformen nutzen typischerweise eine Website oder eine Smartphone-Schnittstelle, um Funktionen wie Coach-Klienten-Matching, Terminplanung, Coaching-Notizen, Klienten-Journaling, Chatbots und Zugang zu psychometrischen Assessments auf Abonnement-Basis anzubieten. Coaching-Vertragsplattformen bieten Kunden in der Regel Zugang zu einem Kader von Coaches, die pro Sitzung oder pro Engagement bezahlt werden. Diese Contracting-Plattformen haben häufig auch Zusatzfunktionen, die Teil von Service-Plattformen sind. Die Beschreibungen der Plattformen wurden in der Präambel der Umfrage gegeben.

Methodik

Die ICF-Coaching-Plattform-Umfrage wurde in Englisch, Französisch und Deutsch entwickelt. Die Umfrage wurde an ein etabliertes globales Forschungspanel von ca. 5.000 freiwilligen Coaches über eine ICF-E-Mail-Kampagne sowie über die ICF-Chapter in Großbritannien, Frankreich und Deutschland verteilt. Es wurden sowohl quantitative als auch qualitative Daten gesammelt und analysiert, um einen Einblick in die Auswirkungen dieser Plattformen auf den Coaching-Beruf zu erhalten. Die Umfrage enthielt 37 Fragen und dauerte ca. 10 Minuten zum Ausfüllen.

Ergebnisse

Insgesamt wurde der Umfragelink 851 Mal über alle Sprachen hinweg angeklickt (619 Englisch, 194 Französisch und 38 Deutsch). Von diesen 851 Klicks gaben 277 Befragte an, keine Coaching-Plattformen zu nutzen, während 51 Umfragen leer waren (d. h., diese Personen beantworteten keine einzige Frage), und daher wurden diese Umfragen als unvollständig markiert. Von den verbleibenden 523 Befragten, die angaben, Coaching-Plattformen zu nutzen, wurden 286 Umfragen aufgrund zu vieler fehlender Daten als ungültig eingestuft, so dass 237 gültige Umfrageantworten übrig blieben (173 englische, 49 französische und 15 deutsche). Der Rest dieses Berichts basiert auf diesen 237 Antworten.

Demografische Daten

Die Coaches, die an der Umfrage teilgenommen haben, sind recht erfahren: 35% haben 11 oder mehr Jahre Coaching-Erfahrung und 32% haben 6 bis 10 Jahre Coaching-Erfahrung. Von denjenigen, die eine Coaching-Zertifizierung halten, sind 46% PCC, 27% ACC und 6% sind MCCzertifiziert. Der prozentuale Anteil der Befragten dieser Umfrage tendierte mehr zu MCC- und PCC-Zertifikatsinhabern als zur Gesamtmitgliedschaft der ICF, was wiederum auf eine erfahrenere Gruppe von Befragten hindeutet. Von den Coaches, die Angaben zum Geschlecht machten, waren 67% weiblich und 33% männlich, was dem Profil der ICF-Gesamtmitgliedschaft entspricht.

Die Befragten waren tendenziell älter, 64% waren zwischen 41 und 60 Jahre alt und 28% 61 Jahre oder älter. Die Coaches waren gut ausgebildet, wobei 23% einen Bachelor-Abschluss, 61% einen Master-Abschluss und 11% einen Doktortitel oder einen gleichwertigen Abschluss hatten. Die meisten der Coaches wohnen in 5 Ländern: Frankreich, Deutschland, den Niederlanden, dem Vereinigten Königreich und den Vereinigten Staaten von Amerika, die Gesamtheit der Befragten verteilt sich jedoch auf 31 weitere Länder.

Plattform-Typen

Die meisten Coaches nutzen Contracting-Plattformen, bei denen der Coach mit Klienten in Verbindung steht und für jede Sitzung oder jeden Auftrag entlohnt wird. Bei den Kunden kann es sich um Einzelpersonen handeln, die Coaching suchen, oder um Mitarbeiter einer Organisation, die eine Coaching-Initiative in ihrer Organisation eingeführt hat. Einige Coaches nutzen Service-Provider-Plattformen, wo diese Plattformen dem Coach erlauben, seine Klienten durch eine Vielzahl von Funktionen zu verwalten (z.B. Terminplanung, Abrechnung, Klienten-Tracking, etc.). Mit anderen Worten, diese Plattformen bieten den Coaches Möglichkeiten, ihre Klienten zu verwalten und zu verfolgen. Im Vergleich zu den Plattformen von Dienstleistern (n=16) sind die Plattformen von Vertragspartnern (n=107) für Coaches am wichtigsten.

Plattformen

Die Befragten gaben insgesamt den Namen von 66 einzelnen "Plattformen" an, wobei einige der Plattformen auch Videoplattformen, wie z. B. Zoom, enthielten. Bei den vertragsschließenden Plattformen stachen drei als die beliebtesten hervor, die in etwa gleich beliebt waren: BetterUp, Coachhub und MoovOne. Die MoovOne-Plattform wurde fast ausschließlich von Coaches mit Wohnsitz in Frankreich genutzt. Während die Mehrheit der Coaches derzeit nur eine Plattform nutzt (62 %), nutzen 26 % zwei und überraschenderweise 12 % drei Plattformen. Die am häufigsten geforderten Qualifikationen, um Zugang zu einer Plattform zu erhalten, waren eine Coach-Ausbildung und spezifische Referenzen.

Die wichtigsten Plattformfunktionen für die befragten Coaches waren Lead-Generierung, Benutzerfreundlichkeit, Terminplanung und Kundenverwaltung. Nur 10 % der Befragten gaben an, dass ihre primäre Plattform die Exklusivität ihrer Verfügbarkeit auf dieser Plattform erfordert. Auf die Frage, welche Verbesserung sie sich für ihre primäre Plattform wünschen würden, waren eine höhere Bezahlung und die Möglichkeit, Klienten zu finden, die mit Abstand am häufigsten genannten Wünsche. Dennoch gaben 89 % der Befragten an, dass sie mit ihrer Plattform eher zufrieden bis sehr zufrieden sind.

Ethik

Generell ist die Ethik ein wichtiger Bereich, der von Coaching-Plattformen angesprochen wird. Zwei Drittel der Coaches gaben an, dass sie für die Nutzung ihrer Plattform eine Ethik-Vereinbarung unterschreiben müssen, bei den Klienten sind es 41%. Besonders heikel ist die Tatsache, dass 26% der Befragten angaben, dass Personen, die für das Plattformunternehmen arbeiten, Zugriff auf die Daten in der Plattform haben. Was nicht bekannt ist, ist, auf welche Daten genau diese Personen Zugriff haben, wie sensibel diese Daten sind und wie diese Daten verwendet werden.

Coaching und E-Learning mit künstlicher Intelligenz

Angesichts der Tatsache, dass das Coaching mit künstlicher Intelligenz (KI) noch in den Kinderschuhen steckt, ist es überraschend, dass 17 % der Coaches angaben, dass ihre primäre Coaching-Plattform über eine eingebaute KI-Coaching-Funktion verfügt. Als Hinweis auf eine ausgereiftere Technologie gaben zwei Drittel der Coaches an, dass E-Learning eine Komponente ihrer primären Plattform ist.

ICF-Beteiligung

Die Mehrheit der Befragten ist der Meinung, dass die ICF bei Coaching-Plattformen involviert sein sollte. Der primäre Wunsch ist, dass etwas in Bezug auf Standards, Richtlinien oder Vorschriften unternommen wird, gefolgt von der Sicherstellung ethischer Praktiken.

Überlegungen zu Plattformen

Das ICF-France Committee on Coaching and Digital/Artificial Intelligence hat eine Reihe von Richtlinien entwickelt, die bei der Entscheidung helfen sollen, ob man mit einer Coaching-Plattform zusammenarbeitet oder nicht. Basierend auf den Ergebnissen dieser Umfrage und diesen Richtlinien sollten Coaches Folgendes berücksichtigen:

1. Das besondere Qualifikationsniveau (z. B. spezifische Berechtigung, Coaching-Stunden, Coach-Ausbildung, Supervision, Zertifizierungen usw.), das die Coaching-Plattform verlangt und ob die Plattform einen Nachweis dieser Qualifikationen verlangt.

2. Wie die Coaching-Plattform Coaches und Klienten zusammenbringt und nach welchen Kriterien dies geschieht (z.B. ein Computerprogramm, ein Mitarbeiter der Plattform-Organisation oder eine Kombination davon) und ob die Plattform eine Rangliste der Coaches in ihrem Verzeichnis erstellt.

3. Ob die Coaching-Plattform die Aufzeichnung von Sitzungen erlaubt und ob Coaches diese Aufzeichnungen für andere Zwecke, wie z.B. Supervision, Zertifizierungen oder Selbstkontrolle, verwenden dürfen. Wenn die Plattform Aufzeichnungen zulässt, sollte darauf geachtet werden, wo diese Aufzeichnungen gespeichert werden und wie die Vertraulichkeit gewährleistet wird.

4. Die Art des Vertrags, den die Coaching-Plattform anbietet (z.B. unbefristet, monatlich, jährlich, pro Projekt). 

5. Ob Coaches für das Erscheinen im Verzeichnis der Coaching-Plattform bezahlen müssen.

6. Ob die Coaching-Plattform Exklusivität verlangt (d.h. keine Möglichkeit, für eine konkurrierende Plattform zu arbeiten).

7. Welchen Anteil des Honorars, das die Plattform dem Klienten in Rechnung stellt, die Coaches erhalten und wie zufrieden diese mit diesem Anteil sind.

8. Wie der Coaching-Vertrag und die Ziele des Coaching-Auftrags formuliert sind. Zum Beispiel eine Vier-Wege-Vereinbarung (zwischen der Organisation des Kunden, Mitarbeiter:innen der Plattform, Coaches und Kund:innen) oder eine Drei-Wege-Vereinbarung (zwischen der Organisation des Kunden, den Kund:innen und den Coaches). Wie die Ziele zwischen der Plattform und den Klient:innen vereinbart werden.

9. Wie und wann Coaches den Coaching-Vertrag kündigen können.

10. Ob die Plattform ein Feedbacksystem der Klient:innen enthält und welchen Zugang Coaches zum Feedback nach den Coaching-Sitzungen hat (z.B. direkt über die Plattform, durch Mitarbeiter:innen der Plattform oder keinen Zugang).

11. Die Art der Daten, die von der Plattform überwacht werden, wer Zugriff auf die Daten hat und wie die Daten innerhalb der Plattform geschützt werden.

12. Ob für die Nutzung der Plattform eine Ethik-Vereinbarung erforderlich ist, die von Coach und Klient:innen unterzeichnet werden muss, und die Bedingungen dieser Vereinbarung.

13. Ob die Plattform Supervision für ihre Coaches anbietet oder arrangiert.

Fazit

Auch wenn der Markt für Coaching-Plattformen noch jung ist, ist es aufgrund der Zufriedenheitsbewertungen klar, dass Coaching-Plattformen auf dem Vormarsch sind und es einen großen Spielraum für Wachstum gibt. Während eine kleine Anzahl von Akteuren derzeit dominiert, gibt es eine lange Liste kleinerer Marktteilnehmer. Da sich die Technologie verbessert und viele Investitionen in diesen Bereich fließen, könnten kleinere Anbieter die dominierenden Anbieter schnell überholen, so dass sich im Laufe des nächsten Jahrzehnts eine wechselnde Reihe von führenden Anbietern herausbilden kann.

 

 

Autor:innen: Gage Ammons (ICF Thought Leadership), Edith Coron (ICF-F), Joel DiGirolamo (ICF Thought Leadership), Richard Grillenbeck (ICF-D), Boris Prigmore (ICF-UK), Sarah Thevenet (ICF-F)

Foto: Lukas Blazek on Unsplash

 


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ISSN: 2702-7880

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