International Coach Federation Deutschland

Coaching & AI - wie künstliche Intelligenz die Zukunft des Coachings prägen wird

 

Coaching ist für die meisten eine persönliche und menschliche Begegnung, die gefühlt durch die Empathie des Coaches geprägt wird. Empathie bedeutet dabei, die Fähigkeit und Bereitschaft, die Empfindungen, Emotionen, Gedanken, Motive und Persönlichkeitsmerkmale einer anderen Person zu erkennen, zu verstehen und nachzuempfinden. Coaching hat sich als begleitende Funktion innerhalb von Organisationen vor allem im Bereich des Lernens, des Wachstums, des Wohlbefindens, der Selbstwahrnehmung, des Karriere Managements und der Verhaltensänderung von Menschen durchgesetzt. Aber was, wenn der Coach in Zukunft vielleicht gar kein Mensch mehr ist, sondern eine Maschine? 

 

KI-Systeme im Coaching

Das rasante Wachstum der Anwendung von Künstlicher Intelligenz wird als das bedeutendste Ereignis der jüngeren Menschheitsgeschichte bezeichnet, mit dem Potenzial, praktisch alle Aspekte des menschlichen Lebens zu verändern. Allerdings sind die Erwartungen an die Fähigkeiten und das Potenzial von KI (künstliche Intelligenz) meist sehr realitätsfremd. Alle bestehenden KI Anwendungen wie autonomes Fahren, Spam Filter oder Conversational AIs (Artificial Intelligence) wie Alexa & Siri basieren auf der ersten Entwicklungsstufe künstlicher Intelligenz, der schwachen künstlichen Intelligenz. Hierbei wird KI in der Regel nur für eine spezifische, vordefinierte Aufgabe genutzt. Das liegt unter anderem daran, dass schwache künstliche Intelligenzen die benötigten Informationen lediglich aus bestimmten Datensätzen entnehmen und somit an diese gebunden sind. Auf ihrem entsprechenden Gebiet agieren die Anwendungen aber schon in Echtzeit und übertreffen in ihrer Arbeit bereits häufig menschliche Effizienz.

Es ist extrem unwahrscheinlich, dass wir in naher Zukunft eine KI haben werden, die der menschlichen Intelligenz gleichkommt, der sogenannten starken KI. Experten sind sich uneinig, ob und wenn ja, wann General AI Wirklichkeit wird. Die Schätzungen reichen von 2030 bis 2060. Von der Superintelligenz brauchen wir zu unseren Lebzeiten keine Angst haben. 

Das bedeutet jedoch nicht, dass KI nicht bereits in vielen Kontexten einen bedeutenden Einfluss hat, darunter auch in helfenden Berufen wie dem Gesundheitswesen und der Psychologie. Sie ist auch für Einsatzgebiete im Coaching schon im ersten Einsatz. Es ist daher unvermeidlich, dass alle Coaching-Akteure darüber nachdenken müssen, wie sie KI in der Coaching-Branche verantwortungsvoll nutzen, entwickeln und einsetzen können. Nur durch eine Beteiligung aller Coaching-Akteure wie Coaches, Coaching-Verbände, Forschungsinstitute und Unternehmen können hier zukünftig sinnvolle, ethische und qualitätsgesicherte Anwendungen entwickelt und auf den Markt gebracht werden. 

Die drei wichtigsten Zutaten bei der Erstellung eines KI Systems sind qualitativ hochwertige Daten, sorgsam erstellte Algorithmen und die notwendige Computer Leistung. Das große Wachstum der KI-Systeme der letzten Jahre basiert auf der exponentiell wachsenden Computer Leistung. Die meisten der heute angewandten Algorithmen gibt es schon seit den 60er und 70er Jahren. Aufgrund der damaligen schlechten Rechenkapazitäten konnten Anwendungsfälle aber nie erfolgreich umgesetzt werden. Daraus folgt, dass wir aktuell zwar schon gute Algorithmen und genug Rechenleistung für KI-Systeme haben, dass aber gerade dem Thema Daten heute eine enorm wichtige Rolle zufällt. Wir sprechen quasi von einem Data-Rush, der oft mit dem Gold-Rush verglichen wird. Ohne vernünftige Daten können wir auch mit den besten angepassten Algorithmen und besten Computer-Leistungen keine guten Ergebnisse in der Gesamt-KI erzielen. Daher ist es wichtig, sich von Anfang an Gedanken darüber zu machen, wodurch diese Datenqualität erreicht werden kann. Es liegt in der Verantwortung des Coaches, welche vertraulichen Coaching-Daten er mit digitalen Anbietern teilt. Das hängt auch davon ab, von welchem digitalen Anbieter er sich den meisten Nutzen in der Coach-Coachee-Beziehung erhofft. Wenn man für ein Produkt nichts bezahlt, ist man in der Regel selbst (bzw. die eigenen Daten) das Produkt. 

 

Wo ist ein Einsatz von KI im Coaching hilfreich?

Der Einsatz von KI im Coaching ist immer da hilfreich, wo KI wirklich einen Mehrwert gegenüber realen Coaches bieten kann. Das ist vor allem im Bereich der Sprach- und Mustererkennung, der Standortanalyse, der Bias-Erkennung und der unbegrenzten Kapazität der Fall. KI-basierte Assessment Tools erlauben es Nutzern, tägliche Benachrichtigungen basierend auf ihren persönlichen Assessments zu erhalten und über Erinnungsfunktionen gelernte Inhalte zu reflektieren. KI ermöglicht es Coachees, Coaching als niederschwelliges Angebot in einer risikoarmen Umgebung nach eigenem Zeitplan zu nutzen. Ein KI-gestütztes Vorschlagssystem kann dem Coachee weitere Vorschläge auf Basis seiner bisherigen Sessions unterbreiten, wie z.B. an Glaubenssätzen zu arbeiten, nachdem innere Konflikte aufgedeckt wurden. Menschliche Coaches können KI auch nutzen, um regelmäßig Änderungen im Verhalten eines Benutzers nachzuverfolgen, da sie diese Abweichungen im Verhalten leichter erkennen kann. 

Bias im Coaching ist etwas, womit wir uns als Coaches immer wieder auseinandersetzen sollten. Studien legen nahe, dass Objektivität nicht Teil der menschlichen Kondition ist; dass unser Geist nicht in der Lage ist, völlig objektiv zu sein. Unsere Wahrnehmung ist immer verwoben mit unserem Verständnis der Welt, mit unserer eigenen Geschichte, mit unserer Vergangenheit usw. Eine der häufigsten Voreingenommenheiten im Coaching ist der "Confirmation Bias". Dabei versucht der Coach seine erste Hypothese in Bezug auf das Thema des Coachees zu bestätigen und riskiert im Rahmen dessen, nicht die ganze Geschichte oder den ganzen Standpunkt des Coachees zu erfassen. Dieser Art von Bias kann durch den Einsatz von KI entgegenwirkt werden, wenn Algorithmen auf einer qualitativ hochwertigen, diversen und unvoreingenommenen Datenbasis erstellt werden. 

 

Chatbot-Coaching

Systemisches und lösungsorientiertes Coaching folgt standardisierten Prozess-Schritten, durch die auch ein smarter Coaching Chatbot, wie der von evoach (www.evoach.com) den Coachee Schritt für Schritt entlang einer Entscheidungsbaum-Struktur führen kann. Der Coaching Chatbot braucht dafür lediglich die richtigen Fragen-Sets für die jeweiligen Prozessschritte sowie gut digital visualisierte Coaching-Methoden, die er abhängig vom Thema des Coachees in den Ablauf einbindet. Wie im persönlichen Coaching ist der Coachee hier für den Inhalt, der Coach für den Prozess der Coaching-Session verantwortlich. Die Herausforderung dabei ist die sorgfältige und professionelle Gestaltung solcher digitaler, intelligenter Prozessabläufe und die Erstellung sinnvoller Algorithmen. Dabei muss die Expertise erfahrener Coaches mit einfließen und Coachingverbände sollten die Qualität der Anwendungen auf ethische und inhaltliche Standards prüfen. Forschungsinstitute können dann deren Wirksamkeit und Auswirkungen auf den Coaching-Prozess erforschen. 

Dazu hat Dr. Nicky Terblanche von der Universität Stellenbosch im Rahmen seiner englischen Studie “ A Design-Framework to create AI Coaches” mit seinem Zielerreichungs-Chatbot Vici folgendes entdeckt: Der rein auf einer Entscheidungsbaum-Struktur erstellte Chatbot konnte Coachees nach nur 10 Monaten genauso erfolgreich unterstützen wie ein menschlicher Coach. 

 

Zusammenfassung
Obwohl KI in nächster Zeit einen festen Platz in der Coaching-Branche einnehmen wird, müssen sich menschliche Coaches keine Sorgen machen, dass die Branche in absehbarer Zeit vollständig automatisiert wird. Der Einsatz von KI im Coaching muss aktuell noch mehr erforscht werden und es muss getestet werden, wie KI im Coaching wirklich effektiv gestaltet werden kann. In der Zwischenzeit sollten sich menschliche Coaches auf eine weitere Zusammenarbeit mit KI vorbereiten. 

 

Zum Nachlesen und Hören

Zum Podcast “The Future of Coaching” mit Episoden zum Thema Coaching & AI:
https://www.evoach.com/podcast

 

Weiterführende Links & Quellen:

https://weneedtotalk.ai/

https://instituteofcoaching.org/blogs/are-we-biased-exploring-biases-coaching-practice

https://www.chieflearningofficer.com/2019/11/25/ai-enabled-coaching/
 

Related Research:

https://www.researchgate.net/publication/341821157_Factors_that_influence_users'_adoption_of_being_coached_by_an_Artificial_Intelligence_Coach

https://www.semanticscholar.org/paper/A-design-framework-to-create-Artificial-Coaches-Terblanche/67b4972c3e2f7b205d024dd7b9045067e2e6dfe5

https://www.deepdyve.com/lp/sage/coaching-with-artificial-intelligence-concepts-and-capabilities-RYOBavABHK

 

 

Hier können Sie den Artikel herunterladen

 

 


coachfederation.de  |  coachingtag.com

ISSN: 2702-7880

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