18 Mär 2022
Ethik und digitale Medien
Ethik und digitale Medien (von Evelyn Albrecht)
Seit dem 25. Mai dieses Jahres ist endgültig die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) in Kraft getreten.
Nachdem sich die erste Aufregung bezüglich der Umsetzung gelegt hat, ist nun eine gute Gelegenheit, sich auch im Rahmen der Ethik im Coaching mit dem Thema Datenschutz und Nutzung der digitalen Medien auseinanderzusetzen.
Spätestens nach dem NSA-Skandal und der Facebook-Affäre sollte jedem bewusst sein, dass digitale Medien nicht sicher sind. Ein Missbrauch durch unbefugte Dritte ist potenziell möglich. Ohne Vorsichtsmaßnahmen ist die Nutzung von digitalen Medien wie ein offenes Buch, dass weltweit jedermann einlädt, darin zu lesen, zu schmökern und auch Inhalte zu verändern.
Gemäß dem ICF Werte- und Ethikkodex Kapitel 11 sind “[…] alle fallbezogenen Dokumente bezüglich meiner Arbeit als Coach so [zu] erstellen, auf[zu]bewahren und [zu] vernichten, dass die Vertraulichkeit und der Datenschutz gewährleistet und das geltende Landesrecht eingehalten wird.“
Was bedeutet das für mein ethisches Handeln als Coach?
In der Zusammenarbeit mit dem Klienten sollte der Coach im Umgang mit digitalen Medien mindestens die folgende drei Kriterien Verschlüsselung, Speicherung und Nutzungsrechte für die Datenschutzsicherheit des Klienten berücksichtigen.
1. Übertragungssicherheit bzw. Verschlüsselung:
o Werden die Inhalte verschlüsselt oder nicht?
SMS Nachrichten werden z.B. nicht verschlüsselt und sind somit frei lesbar.
o Verschlüsselungsart der Inhalte
Ist die Verschlüsselung symmetrisch (ein Schlüssel dient zur Verschlüsselung und Entschlüsselung) oder asymmetrisch (es gibt zwei Schlüssel: einen zur Verschlüsselung und einen zur Entschlüsselung)?
Die asymmetrische Verschlüsselung ist sicherer als die symmetrische.
o Übertragungsart der Verschlüsselung
Die Übertragung von Inhalten im Netz läuft in der Regel über viele verschiedene Server bis sie den Empfänger erreicht.
Die Leitungsverschlüsselung verschlüsselt etappenweise: die Nachricht wird immer bis zum nächsten „Knotenpunkt“ also Server verschlüsselt, dort entschlüsselt und falls der Empfänger noch nicht erreicht ist, wird die Nachricht wieder verschlüsselt (allerdings oft anders als die vorherige Verschlüsselung) oder auch nicht verschlüsselt und weitergeleitet.
Der Nachteil besteht darin, dass jeder einzelne Server auf dem Übertragungsweg vertrauenswürdig und sicher sein muss.
Die Ende-zu Ende-Verschlüsselung verschlüsselt die Nachricht vom Sender bis zum Empfänger. Zwischengelagerte Server zur Weiterleitung der Nachricht können den Inhalt nicht entschlüsseln und somit auch nicht lesen. Auch besteht nicht die Gefahr, dass auf dem langen Weg durch Netz die Nachricht irgendwo unverschlüsselt weitergeleitet wird.
Das Problem besteht allerdings darin, dass sich der Sender mit jedem Empfänger auf ein Verschlüsselungsverfahren und zugehörige(n) Schlüssel einigen muss.
2. Speicherung
o Speicherung (und Nutzung) der Daten durch den Anbieter
Bei Telcos und Video-Cons kann es je nach Anbieter zur Speicherung der Gesprächsinhalte kommen, auch wenn man diesen Service als Nutzer gar nicht in Anspruch nehmen möchte. Zu beachten ist, dass nicht bei jedem Anbieter die strengere DGSVO der EU gilt, sondern oft das liberalere US- oder chinesisches Recht.
Außerdem werden oft in den AGBs der digitalen Medienanbieter die DGSVO so eingeschränkt, dass die Daten weitgehend uneingeschränkt gespeichert und genutzt werden dürfen – mit dem Hinweis auf Widerspruchsrecht.
o Ort der Speicherung durch den Anbieter
Bei Clouddiensten möchte der Coach seine Dateien sicher durch einen Anbieter speichern lassen.
Es gilt das Recht des Landes, in dem der Server physisch lokalisiert ist, auf dem die Daten gespeichert wurden.
Problematisch wird es, wenn in diesem Land sehr liberale Datenschutzgesetze gelten. Beispielsweise in US oder China.
Allerdings wird auch die EU DGSVO in verschiedenen EU-Ländern unterschiedlich interpretiert. Beispielsweise gehört Schweden zu den eher liberaleren Ländern, in dem auch sehr oft die Server stehen.
Das sogenannte Safe-Harbor-Abkommen (Daten aus der EU können in USA nach EU-Recht gespeichert werden), gilt nicht mehr und wurde von EU-US-Privacy Shield abgelöst. Dieses Abkommen wird aber nicht von jedem US Anbieter garantiert.
3. Nutzungsrechte
Es gibt Anbieter, die nicht nur vom Anwender unwissentlich und unbeabsichtigt Inhalte speichern, sondern in den AGBs sich auch deren Nutzung sichern.
Deshalb sollte jeder Coach jede AGBs für digitale Mediennutzung sorgfältig durchlesen.
Übersichtstabelle
Der Link führt auf eine Übersichtstabelle
Link: https://www.mbci.de/institute/ethik
die eine erste Orientierung in der kritischen Auseinandersetzung mit den Anbietern und Dienstleistern digitaler Medien sein soll.
Sie wurde im Rahmen eines Hochschulprojektes zusammen mit Studierenden und Kollegen der IT und des IT-Rechts zusammengestellt.
Diese Tabelle ist nicht vollständig und ohne Gewähr auf Richtigkeit und Aktualität, da sich immer der kleine menschliche Fehlerteufel einschleichen kann und die AGBs regelmäßige und häufige geändert werden; ebenso die technischen Rahmenbedingungen.
Handlungsempfehlung für Coaches gemäß der ICF Kernwerte
Generell empfehle ich dem Trend „digitales Detox“ zu folgen. Je weniger Nutzung der digitalen Medien in der Coach Klienten Beziehung desto sicherer sind die Daten des Klienten.
· Integrität
Der Coach sollte sich eine Sensibilität und kritische Auseinandersetzung bei der Nutzung von
digitalen Medien aneignen und folgende Fragen beantworten können:
Was nutze ich als digitales Medium? Kenne ich detailliert dessen Rahmenbedingungen? Sind diese Rahmenbedingungen sicher? Muss ich dieses digitale Medium wirklich nutzen?
· Exzellenz
Der Coach sollte das Gespräch mit dem Klienten über die Nutzung von digitalen Medien in
der Coach-Klienten-Beziehung immer zum Thema machen und somit Transparenz schaffen.
Bei der Nutzung eines digitalen Mediums muss das Einverständnis des Klienten eingeholt werden.
· Kooperation
Der Coach sollte sich kontinuierlich zum Thema digitale Medien fortbilden und sicherstellen, dass er die aktuellen Rechtsgrundlagen kennt.
Ein professionelles Netzwerk, mit dem sich der Coach regelmäßig über das Thema Digitale Datensicherheit austauschen kann, sollte zum professionellen Standard gehören?
· Respekt
Der Coach sollte den Klienten zur eigenen sensiblen und kritischen Nutzung von digitalen Medien anregen oder dem Klienten über sein eigenes Wissen über digitale Medien informieren (z.B. bei der Vertragsklärung)?
Die Erfahrung zeigt leider, dass die meisten Klienten recht naiv im Umgang mit digitalen Medien sind.
Ethisches Verhalten im Coaching ist vielfältig und schließt immer mehr auch Gesellschaft relevante Veränderungen mit ein. Datenschutz zur Sicherheit des Klienten zur Wahrung dessen Privatsphäre gehört sicher dazu und kann mit sensiblem Verhalten und Professionalität durch den Coach gewährleistet werden.